Hochzeitsdampfer und russische Arbeitsbedingungen; Abschied von Freunden
01.– 22.11.2003

Alibaba, der Hochzeitsdampfer war fuer 2 Wochen unser Zuhause. Dieses Partyschiff liegt seit 12 Jahren an einem kleinen Hafen und wartet auf bessere Zeiten. In einem dementsprechenden Zustand war es dann auch. Die Aussentreppe war halb zerfallen, die Taue uebersaet von Muscheln und der Rost zeigte an vielen Stellen seine Hartnaeckigkeit. Im Inneren gab es einen dominierenden grossen Raum. Normalerweise fuer die Hochzeitszeremonie und die anschliessende Party. Die Ausstattung war bestimmt einmal sehr ansprechend, schafft aber auch heute noch eine angenehme Atmosphaere. Goldene Kronleuchter mit stufenloser Abdunkelung zierten die Decke, entlang den Waenden standen kleine Siztgruppen, ein Schlagzeug schlummerte in einer Ecke und eine Wand wurde von einem Grossbildfernsehen eingenommen.
Im unteren Deck befanden sich Kajueten fuer 70 Gaeste. Hier verbrachten wir in einem kleinen, stickigen Raum mit einem Stockbett unsere Naechte. Das Schiff war cool und eine super Kulisse fuer einen Gruselklassiker. Als ich mich einmal Abends fuer 2 Stunden alleine an Deck befand, war mir schon mulmig zu mute, das muss ich zugeben. Direkt an der Pier hatten wir ein kleines, undichtes Boot liegen. Dieses war unsere Faehre und mithilfe eines Taues angelten wir uns von Pier zu Schiff zu Pier. Und unser Kapitaen Andrej war wirklich grosse Klasse. Mehrmals hatte er bereits gekocht bis wir abends von der Arbeit nach Hause kamen. Und wir hatten mit ihm super viel Spass bei unseren Bootpartys. Auch Iwan, unser Freund aus Vladivostok verbrachte die 14 Tage mit uns auf dem Boot. Neben Iwan waren da dann noch Roman, Vadim, Pascha und viele mehr. Auf anhieb verstanden wir uns mit allen super. Es gab keine Hemmschwellen und erneut konnten wir die russiche Gastfreundschaft sowie ihre Grosszuegigkeit erleben. Auch hatten wir kein Problem wieder auf die russische Sprache zurueck zugreifen und mussten feststellen, dass uns diese doch soviel mehr liegt wie die japanischen Urlaute. Aber wir sollten ja arbeiten. Arbeiten - sofort assoziierten wir mit diesem Wort so Dinge wie: Wecker, Aufstehen, keine Zeit mehr fuer ein Fruehstueck, immer muede, Stress - Arbeit halt. Dinge die wir nicht mehr kannten, bzw. die wir nicht mehr kennen wollen. So waren wir doch sehr angenehm ueberrascht als unser 1. Arbeitstag um 10.00 Uhr begann und alle folgenden ebenfalls. Dafuer kamen wir aber oft erst um 21.30 Uhr wieder auf unser Schiff zurueck. Die Russen hatten seit 14 Tagen ein Problem mit ihrem russischen Fuehrerschein in Japan und durften somit kein Fahrzeug mehr lenken. Ihre Arbeit besteht aber aus Gebrauchtwagen Ankauf und Export nach Russland. Dazu fahren sie saemtliche Haendler und Schrottplaetze in einem Umkreis von 150 km ab. Jetzt steht der Hof voller Autos, weitere sollten dringend gekauft werden und diese arme Jungs durften nicht mehr fahren. Das ist gerade so, wie wenn ich in einer Schokoladenfabrik waere und kein Stueck Schokolade essen duerfte. Schrecklich, nicht wahr! Unser Fuehrerschein war fuer die Dauer unseres Japans-Aufenhaltes anerkannt. Iwan und sein japanischer Geschaeftspartner schleiften uns zur Polizeiwache und diese sollte nun bestaetigen, dass wir in Japan fahren duerfen. Aber wie oft hat eine japanische Polizeiwache in einer kleinen Stadt mit deutschen Fuehrerscheinen zu tun? Die Guten hatten natuerlich keinen Schimmer und binnen kuerzester Zeit war die gesamte Polizeiwache mit dieser Frage beschaeftigt. Und einer dieser Polizisten schmiss sich doch ganz unverfroren an mich heran. Er schleimte und machte unzuegliche Angebote und taetschelte dabei immer meinen Unterarm. Ich konnte ihm schlecht eine Ohrfeige verpassen, dabei haette ich dies so gerne getan. Wie auch immer, nach einer Stunde war die Frage unserer Fahrerlaubnis geklaert und wir bekamen die gewuenschte Bestaetigung. Somit begann dann nun wirklich unsere Arbeit fuer unsere russische Freunde. Ich fuhr Roman und Vadim zu den Haendlern und diese kauften innerhalb von 2 Minuten ein Auto. Dies ist wirklich wahr. Die schauten nur kurz hin, nicht einmal in das Innere des Fahrzeuges und verbrachten dann aber 1,5 Minuten mit handeln. Diese Art von Arbeit machen die Beiden schon ueber 5 Jahren und sie wissen bestimmt welche Autos lohnenswert sind und welche nicht. Iwan fuhr mit Volker im LKW. Die Beiden holten die Autos ab welche wir zuvor gekauft hatten. Ausserdem brachte Volker die restaurierten Wagen zum russischen Frachter, welcher gerade im Hafen lag. Die Arbeit war wirklich angenehm. Wir sahen viel von der suedlichsten Insel Japans und kamen viel herum. Die Russen waren sehr angenehme Fahrgaeste und lasen uns jeden Wunsch von den Augen ab. Morgens einen Cafe, Mittags einen O-Saft und dazwischen einen Kaugummi. Und an den Abenden die wirklich netten Partys mit Iwan, Andrej und Anderen. An einem Sonntag fuhr ich mit den Jungs zu einem Internationalen Ballon-Festival. 500.000 Japaner hatten die gleiche Idee und der Andrang war unglaublich. Die Heissluftballons waren alle auf einem grossen abgesperrten Gelaende und Iwan lief einfach auf die Absperrung zu. Der japanische Junge an der Absperrung fragte nach unseren Ausweisen fuer das Ballon-Gelaende. Ich weiss nicht was Iwan ihm erzaehlt hat, aber wir konnten alle ungehindert durchgehen und standen dann inmitten der Ballons. Ein Grund fuer unser Durchkommen war bestimmt der riesige Respekt, den Japaner gegenueber Auslaender aufbringen. Somit ist uns Auslaendern weit mehr erlaubt als den Einheimischen. Volker zog es vor auf der Alibaba zu bleiben und sein Anglerglueck mal wieder zu versuchen. Er benutzte selbst unseren Schinken als Koeder. Und Schinken sowie Kaese sind in Japan so gut wie nicht zu bekommen. Das wissen wohl auch die Fische. Der Schinken war auf jeden Fall immer weg, aber Ersatz in Form eines Fisches war nicht vorhanden. Volker ging mal wieder leer aus. Hatte dafuer aber einen ruhigen, geruhsamen Nachmittag. Nach 2 Wochen war es Zeit zum Gehen. Mit unserem verdienten Geld konnten wir uns eine Faehre zurueck nach Tokyo leisten. 2 Stunden auf See genuegten voll auf damit ich wieder sterbenselend seekrank wurde. Ich verfluchte alle Schiffe dieser Welt...... und wie zum Hohn geht es Volker dann immer hervorragend und er spuert keine Uebelkeit oder laesst sich sein Essen nochmals durch den Kopf gehen. Nach 36 Stunden auf schwerer See erreichten wir Tokyo morgens um 6.00 Uhr im Nieselregen. Umgehend fuhren wir gen Norden zu unseren Freunden Seiji und Harumi. Dort verbrachten wir nochmals 5 Tage in ihrer heimeligen Umgebung. Volker hatte von Deutschland ein neues Federbein kommen lassen (Dank e-bay und vor allem vielen Dank an Achim). Er hatte genuegend Zeit dies auszutauschen. Ausserdem musste er sich um unsere Vergaser kuemmern, die schon seit einer Weile nicht mehr so wollten wie sie sollten. Eines Nachts hatte ich das Gefuehl das mich irgendjemand wach ruettelte. Aber nicht nur an den Schultern, sondern am ganzen Koerper. Ich machte die Augen auf und sah zu Volker. Der war ebenfalls wach und fluesterte nur ein Wort: E r d b e b e n. Tatsaechlich, die ganze Erde zitterte und das Beben hielt unglaublich lange an. Wir konnten es kaum glauben, unser erstes Erdbeben und wir wurden komplett durchgeschuettelt. Am naechsten Morgen erzaehlten wir dies ganz aufgeregt unseren Freunden. Die hatten nichts mit bekommen und berichteten uns am Abend, dass dieses Erdbeben nicht stark genug war um einen Platz in den taeglichen Nachrichten zu erhalten. Aber wir genossen die Tage und vor allem die Abende mit unseren Freunden. Den 2 haben wir viel zu verdanken und wir lassen hier wirklich super gute Freunde zurueck. Vielen Dank Seiji und Harumi!!
Wieder ein Abschied, aber noch nicht der letzte in Japan. Wir mussten nach Tokyo zurueck und uns um unsere Weiterreise kuemmern. Auch hier konnten wir nochmals bei unserem deutschen Freund Bernd unterkommen. Er gewahrte uns fuer eine Woche seinen Hausschluessel und ein eigenes Zimmer. Am Montag, den 17.11. wurde es Zeit unsere Motorraeder zu verpacken. Morgens um 6.00 Uhr fuhren wir zum BMW-Haendler. Von diesem bekamen wir 2 Holzboxen (Made in Germany) fuer unsere Bikes geschenkt. Unsere 2 anderen japanischen Freunde, Shohei und Kei kamen mit einem Kleinbus. Sie wollten uns unbedingt helfen und nahmen einen Anfahrtsweg von 5 Stunden auf sich. Da wir wussten, dass wir fuer die Verschiffung das Benzin aus dem Tank ablassen mussten, hatten wir schon gar nicht mehr getankt. Wir fuhren mit dem letzten Tropfen Sprit. Natuerlich ging mir dann dieser unterwegs aus. Shohei organisierte 3 Liter und wir betankten mein Motorrad. Es wollte trotzdem nicht mehr anspringen. Dann muessen wir halt Ueberbruecken. Die Zeit lief uns solangsam davon. Aber auch trotz Ueberbrueckung startete der Motor nicht. Und dann kam ploetzlich gar kein Startgeraeusch mehr. Nun ist auch noch das Relais oder der Starter kaputt. Schoene Bescherung, und dies am letzten Tag in Japan. Ich durfte mein Motorrad voll bepackt die letzten 700 m bis zum Hafenterminal schieben, Schohei half mir dabei. Und die 3 Liter Sprit mussten wir auch wieder ablassen und verschenken. Kei begann dann auch sofort mit dem Zusammenbau der ersten Kiste. Shohei und Volker checkten solange mein Motorrad und gingen zuf Fehlersuche. Ich stand bloede herum. Dann die gute Nachricht. Es ist meine Batterie, die den Geist aufgegeben hat. Wir entschieden uns fuer eine Neue, irgendwann ist es halt Zeit diese zu tauschen. Und dann wurden wir alle vier zu wahren Verpackungskuenstlern. Wir bezahlten die Schiffsfracht per cbm und wollten aus diesem Grund die Boxen so klein wie moeglich haben. Im Original sind die BMW-Boxen 2,5 cbm und Kei, als Zimmermann hatte er seine komplette Ausruestung dabei, saegte, haemmerte und schraubte 6 Stunden lang. Wir brachten beide Kisten zusammen auf ein Gesamtvolumen von 3,99 cbm und unser Schiffsagent staunte nicht schlecht. So kleine Boxen hat hier noch niemand abgeliefert. Wir sind halt Schwaben und sparen auch an Zentimetern. Wie gesagt, 6 Stunden Kisten bauen, Vermessen lassen, zum Zoll fahren und denen erklaeren was ein Carnet de Pasages ist und wo sie welche Stempel anbringen muessen und dann zum Abschluss die Frachtpapiere ausstellen lassen. Dies alles nahm einen ganzen Tag in Anspruch und auch hier muessen wir vielen, vielen Dank an Shohei und Kei sagen. Ohne diese Beiden haetten wir grosse Kisten, wuerden immer noch das Zollgebaeude im Hafen von Tokyo suchen und mein Motorrad haette keine neue Batterie. Die restliche Woche verbrachten wir dann in Yokohama ohne Motorraeder und warteten eigentlich nur noch auf unseren Flug nach Manila. Aber dann meldete sich Erik bei uns. Ein Schwede, welcher den Bericht ueber uns gelesen hatte und sich unbedingt mit uns treffen wollte. Er und sein amerikanischer Freund Teddy fuehrten uns nach Ginza, das groesste Vergnuegungsviertel Tokyos, aus. In einer deutschen Bar kam Volker zum ersten Mal nach 7 Monaten wieder in den Genuss von deutschem Hefeweizen und wir bestellten uns noch eine Original Deutsche Brezel dazu. Es wurde eine super gute, feuchte Nacht. Und nicht nur weil es draussen in Stroemen regnete. Es war weit nach Mitternacht als wir eine canadische Bar verliessen und wir keinen Zug mehr Richtung Bernds Haus bekamen. Erik bestand darauf, dass er uns ein Zimmer bezahlten durfte. Aber nicht in einem gewoehnlichen Hotel. In Japan gibt es Love-Hotels, in welchem sich Paaerchen fuer 2 Stunden treffen und .............. Na ja, Erik bezahlte fuer den Rest der Nacht und er war der Meinung, dass wir Japan nicht verlassen duerfen ohne nicht eine Nacht in einem solchen Hotel verbracht zu haben. So kamen wir also auch in den Genuss eines Love-Hotels mit all seinen Einrichtungen. Nun war es wirklich Zeit nicht nur von Bernd Abschied zu nehmen, sondern auch von Japan. Wir haben in unserem fast 3 monatigen Aufenthaltes vieles erlebt, gesehen, gestaunt, gelernt und - gehasst.


Land und Leute:
Der Verkehr und das nicht Fortwaertskommen gingen uns nun wirklich auf den Wecker. Aber Japan hat natuerlich auch sehr schoene Dinge zu bieten. Die japanische Kueche hat uns sehr gut gemundet und Volker muss nun wirklich eine Diaet starten. In den Grossstaedten springt uns die Kleidung und die Frisuren besonders ins Auge. Alles was ausgefallen, flippig und aus den 80zigern stammt ist In. Die Haarpracht wird ebenfalls mit den ausgewoehnlichsten Frisuren zur Schau getragen. Da alle rabenschwarze Haare haben und mit einer Farbe nicht trumphen koennen, muss es eben die Art der Frisur sein. Die Japaner sind sehr freundliche und hilfsbereite Menschen. Aber auch sehr zurueckhaltend. Steht man hilflos mit dem Stadtplan in der Hand auf einer Kreuzung in Tokyo, wird man garantiert angesprochen und Hilfe wird angeboten. Ist man dagegen auf einem vollbelegten Campingplatz, wird man nie angesprochen oder zu einem Bier eingeladen. Dabei platzen sie beinahe vor Neugier und dem Verlangen mit einem Auslaender sprechen zu koennen. Aber ihre Hoeflichkeit und Zurueckhaltung verbietet es ihnen.
Japan ist eine Reise wert - es steckt voller Ueberraschungen und Dinge, die uns so vollkommen unbekannt sind. Ist man offen gegenueber fremden Kulturen und Menschen und hat keine Scheu vor dem Unbekannten, dann ist man hier vollkommen richtig. Trotzdem sind wir der Meinung einmal ist genug. Wir lassen hier wirklich gute Freunde zurueck, gehen aber nicht davon aus, diese nochmals in Japan wieder zu sehen - sondern irgendwann in Deutschland.

Bisher gefahrene Kilometer: 26.160 km
Davon in Japan: 5.900 km

 

 

 
   
 
Alibaba-Captain
 
 
Letzter Abend auf der Alibaba
 
 
  Volker, Ivan, Roman, Vadim  
     
 
Ballon-Festival
 
 
Verpackungskünstler