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Sushi und Semmelknoedel
oder bebende Inselwelt 13.09. - 02.10.2003
Unsere Gastgeber zauberten jeden Abend ein reichhaltiges Essen auf den
niedrigen Tisch. Die japanische Kueche ist sehr abwechslungs- und ideenreich,
abgesehen von dem Dauerbrenner "Reis". Wir kamen in den Genuss
von Meerespflanzen (schmeckt seltsam) und Gemuese wie Ginger oder suesse
Kartoffel. Harumi ist eine hervorragende Koechin und nach kurzer Zeit
hatten wir das ungute Gefuehl, dass unsere Hosen enger wurden. Sind wohl
beim waschen eingegangen?! Natuerlich wollten wir uns revanchieren und
fragten die Beiden nach ihren Wuenschen fuer ein deutsches Essen. Prompt
kam die Antwort "Sauerkraut". Warum wird Deutschland immer in
Verbindung mit Sauerkraut gebracht? Kann uns dies mal jemand beantworten?
Im Internet suchten wir nach Rezepten und jedesmal war dort zu lessen:
Man nehme Sauerkraut aus der Dose oder Glas. In einem Supermarkt in Japan
bekommt man tausend Varianten von Nuddelsuppen, aber mit Sicherheit kein
Sauerkraut. Und wie bekommt man Kraut sauer? Ich weiss ganz genau wie
ich Volker soweit bringe, dass er stinksauer ist (oder auch umgekehrt,
Volker mich), aber wie wird Kraut sauer? In Ermangelung dieser Kenntnis
haben wir uns dann fuer einen Krautsalat entschieden. Dazu machte Volker
hervorragende Semmelknoedel und wir reichten Sahnegeschnetzeltes dazu.
An diesem Abend waren noch 2 weitere Gaeste eingeladen und Miho hatte
rohen Fisch mitgebracht. Und so gab es dann doch tatsaechlich Knoedel
mit rohem Tai! Muesst Ihr mal probieren, schmeckt lecker. Und da unsere
Gastgeber jede menge Kartoffeln hatten, haben wir auch einmal Kartoffelknoedel
gemacht. Natuerlich haben wir uns zwischenzeitlich das Essen mit den Staebchen
angewoehnt. Volker ist ein voller Profi darin und da er Linkshaender ist
kann er sogar links wie rechts die Staebchen benutzen. Unsere Japaner
waren begeistert. Ausserdem haben wir ihnen beigebracht, wie man Mikado
mit Ess-Staebchen spielen kann. Wir hatten einen riesen Spass dabei. Vor
allem da wir eine japanische Variante dieses Spiel entwickelten. Man haelt
zwei Staebchen wie beim Essen zwischen den Fingern und versucht damit
ein weiteres vom Mikado-Stapel zu nehmen, ohne das die anderen wackeln.
Nach drei Tagen haben wir uns dann unsere eigenen Ess-Staebchen gekauft
und zwischenzeitlich koenen wir sogar einzelne Reiskoerner damit aufnehmen
oder Nudelsuppe essen!!!! Mit Seiji, unserem Gastgeber und zwei weiteren
japanischen Bikern fuhren wir zu einem 2 Tages Ausflug in die Berge. Hier
machten wir dann zum ersten Mal mit einem japanischen Onsen Bekanntschaft.
Japan hat mehr als 12.000 dieser thermischen, heissen Quellen und sie
werden in ihrem urspruenglichen Zustand als oeffentliche Badeanstalt genutzt.
Wie liessen unsere Kleider und Habseligkeiten im Vorraum zurueck und begaben
uns, mit einem Minihandtuch bekleidet, in den Baderaum. Wobei Maenner
und Frauen getrennt sind. Volker und ich hatten aber jeweils Begleitung
und erhielten exakte Anweisungen fuer das Vorgehen in dieser Badeanstalt.
Im Baderaum sind dann entlang einer Wand kleine Hocker und Duschkoepfe
auf Bauchhoehe angebracht. Auf diesem Hocker sitzend musste ich mich gruendlich
von Kopf bis Fuss waschen, selbst zum abduschen musste ich sitzen bleiben.
Dabei sitzt man so niedrig, dass die Pobacken fast den kalten Beton berruehren.
Irgendwie haben wir es geschafft und fanden uns dann in der heissen Quelle
wieder. Das Wasser hat eine Temperatur von ca. 45 Grad und fuer Volker
war dies unertraeglich heiss. Nach kurzer Zeit beendete er dieses Badevergnuegen.
Wir fuhren weiter nach Tokyo und verbrachten 3 Tage in dieser Riesenstadt.
Die Ausmasse sind unbeschreiblich. Um mit dem eigenen Fahrzeug in die
Stadtmitte zu gelangen benoetigt man viel Geduld und mindestens 2 Stunden
(fuer vielleicht 20km). Wolkenkratzer bilden einen Haeuserwald und lassen
einen selbst winzig daneben wirken. Die Neon-Reklamaschilder prangen in
allen Farben von den Haeuserfronten und auf grossen Filmleinwaenden laeuft
das neuese Musikvideo. Menschenmassen schieben sich durch die engen Gassen
und die U-Bahnen sind hoffnungslos ueberfuellt. Trotzdem oder gerade deswegen
ist diese Stadt sehr interessant. Zwischen all der Hektik und dem kolabierenden
Verkehr findet man Oasen der Ruhe in einem der vielen Parks. HighTech
und Tradition sind gute Nachbarn und Beides erleben wir an jeder Ecke.
Sei es ein Japaner mit dem neuesten Handy und daneben eine Frau im Kimono
oder der modernste Glas-Stahl-Wolkenkratzer mit einem sehr alten Tempel
als Nachbarn. Wenn Tokyo auch hektisch und stressing ist, so hat es sich
doch fuer uns gelohnt. Wir haben nette Menschen getroffen und dies ist
uns mehr wert als die Besichtigung irgend eines Tempels. Wir waren fuer
diese Zeit bei Miho und Tadao untergebracht. Und auch Miho stellte ihre
Kochkuenste unter Beweis und wir wurden regelrecht gemaestet. An diesem
Wochenende wuetete ein Taifun ueber Tokyo und brachte Regen sowie Sturm
mit sich und gerade rechtzeitig zur Abfahrt zog er weiter gen Norden und
hinterliess strahlenden Sonnenschein ueber der Weltmetropole. Alles und
jeder sprach ueber den Taifun und wir erfuhren nichts ueber das erste
Erdbeben, welches zu dieser Zeit in Tokyo die Waende zum wackeln brachte.
Ein Bekannter erzaehlte uns spaeter, dass seine ganze Buecher aus dem
Regal gefegt wurden. Da wir ueberhaupt nichts registriet hatten, nehmen
wir an, dass wir dieses Erdbeben in der U-Bahn fahrend erlebt haben muessen.
. Jetzt ist da mal ein Erdbeben, wir mittendrin und bekommen es dann gar
nicht mit. Na sowas. Haette man es uns nicht erzaehlt, waeren wir heute
noch unwissend. Den Taifun allerdings konnten wir nicht uebersehen und
bekamen seine Staerke und Naesse deutlich zu spueren.
Dann kam das zweite, grosse Beben auf der noerdlichsten Insel Japans,
Hokaido. Wir waren zu diesem Zeitpunkt ca. 110 km noerdlich von Tokyo,
bei unseren Freunden. Das Beben erreichte eine Staerke zwischen 7,0 und
8,0, aber dies habt Ihr sicherlich aus den Nachrichten erfahren. Ebenso,
dass in diesem Gebiet vor drohenden Flutwellen gewarnt wurde. Und genau
zu dieser Zeit des zweiten Bebens haben wir doch tatsaechlich geschlafen,
tief und fest. Wenn wir schlafen koennen Waende wackeln und das Haus abbrennen.
Also wieder nichts bemerkt und wieder wissen wir nur durch Erzaehlung
von diesem grossen Beben. Solche Erderschuetterungen hauen eben so schnell
keine 2 Schwaben um und bringen auch unsere Yamahas nicht ins wanken.
Allerdings, so sagte man uns, ist es sehr beunruhigend, dass nun der Mt.
Fuji aufgrund dieser Beben das erste Mal seit 200 Jahren wieder zu rauchen
angefangen hat.
Wir begaben uns ein 2. Mal Richtung Tokyo, genauer gesagt nach Yokohama.
Um dorthin zu gelangen mussten wir Tokyo komplett durchqueren und fuer
diese 150 km Strecke planten wir 5 Stunden ein. Wir haben es dann in 4,5
Stunden geschafft, ein Meisterstueck fuer japanische Strassenverhaeltnisse.
Wir sollten aber noch feststellen, dass man fuer 400 km mindestens 10
Stunden Fahrt benoetigt. In dieser Zeit faehrt man von Weil der Stadt
bis zur Suedspitze Frankreichs oder nach Sardinien. Aber hier auf der
Insel haengt alles vom Verkehr ab und das Aufkommen ist so hoch und dicht,
dass man wirklich nur mit 40 kmh vorwaertskommt und darueber schon froh
ist. Seltsam, wie schnell wir uns daran gewoehnt haben. Wir verbachten
4 Tage bei Bernd, einem in Yokohama lebenden Deutschen. Diesesmal nutzten
wir unseren Aufenthalt um unsere Weiterreise auf die Philippinen zu organisieren.
Und Bernd liess seine Kontakte spielen und wir gaben einem englischsprachigen
Magazin ein Interview. Und wie es dann so ist, wenn man Beziehungen spielen
laesst, hat man einen Freund, der jemanden kennt, der wiederum einen Freund
hat und dieser Beziehungen zu Yamaha. Und wir haben nun eine Einladung
zum Motorrad Grad Prix in Montegi von Yamaha. Bernd fuhr mit uns die Sehenswuedigkeiten
von Tokyo und Umgebung ab und zeigte uns mit dem Motorrad Attraktionen
dieser Stadt, die per Fuss oder U-Bahn nicht erreichbar sind. Und wieder
lernten wir interessante Menschen kennen. Unter anderem Isse, ein Musiker,
Kuenstler und natuerlich Motorradfahrer. Mit ihm fuhren wir in die Weingegend
vor dem Mt. Fuji. Leider konnten wir keine Weinprobe in Anspruch nehmen.
Dafuer bestaunten wir den Mt. Fuji, welcher im Sommer "oben ohne"
ist. Ohne diesen Schnee rund um die Spitze sieht er nur halb so interessant
aus. Wir cruisten auf die andere Seite des Vulkans, vorbei an verschiedenen
Seen. Die untergehende Sonne spiegelte sich in dem Wasser wieder und warf
ein bezauberndes Licht auf den Fuji.
Wir besuchten noch einen Freund von Isse. Dieser ist Chefarzt und so kam
es, dass wir mitten in eine Krankenhausparty platzten und mitfeierten.
Durch Isse`s Beziehungen konnten wir abends eines der teuersten Onsen
in Japan geniessen. Wir mussten uns aber auf den Weg Richtung Montegi
zum GradPrix machen und durchfuhren die Mittleren japanischen Alpen. Immer
wieder entschaedigen die wunderschoenen Landschaften und vor allem die
kurvigen Bergstrassen fuer den nervenaufreibenden Verkehr rund um die
Staedte. Unsere Motorradherzen schlugen hoeher, als wir einsame Passstrassen
genossen und unsere Motorraeder links und rechts durch die engen Kurven
schwingen liessen. Japan besteht nun mal aus lauter Gegensaetzen.
Land und Leute:
Russland war fuer uns eine Abenteuerreise, Japan ist eine Entdeckungsreise.
Wir fuehlen uns wie kleine Kinder auf Entdeckungstour und probieren immer
wieder neue Varianten der japanischen Kueche oder staunen ueber die kleinen
Dinge, die das Leben leichter machen. Auch die Umgangsformen und dem damit
verbundenen Hofknicks sowie die Rituale im Onsen sind etwas absolut Neues
fuer uns. Mit Erstaunen stellten wir fest, dass in der japanischen Schrift
von oben nach unten gelesen wird und die Zeitungen von hinten nach vorne.
Die Ampelanlagen fangen mit uns zum sprechen an sobald man in die Naehe
kommt und die Autos sind mit TV ausgestattet. Einmal wollte Volker gar
nicht ueberholen, da im Wagen vor im gerade Tom und Jerry lief. Oder die
Fahrer sind so in das Fernsehprogramm vertieft, dass sie bei Gruenschaltung
der Ampel vergessen weiter zu fahren. Die Handys sind alle mit einer digitalen
Kamera ausgestattet und wie in einem Werbespot werden die Bilder gleich
an die Freundin versandt. Sehr interessant sind die Toiletten. Bekanntlich
gibt es in Japan sehr wenig Platz und bei den Toiletten befindet sich
das Handwaschbecken direkt auf der Spuelung. Und mit dem herunterdruecken
der Spuelung fliesst gleichzeitig das Wasser ins Handwaschbecken. So kann
man beim Vorgang des Handewaschens nebenbei beobachten, was so alles hintergespuelt
wird. Der Sitz ist wohl temperiert und vermittelt einem das Gefuehl von
Waerme. Zusammen mit einem guten Buch, moechte man diesen Platz gar nicht
mehr verlassen.
Harter Themenwechsel: In Japan gibt es zwei verschiedene Arten den Fisch
roh zu essen. Die Eine ist das allen bekannte Sushi. Hier liegt der rohe
Fisch oder Meeresfruechte auf Reissbaellchen. Habt Ihr schon mal einen
rohen Octopus auf einem Reissbaellchen gesehen? Sieht ekelhaft aus. Auch
rohe Muscheln regen nicht gerade den Appetit an. Lachs schmeckt roh noch
am besten. Wobei uns Sashimi, die zweite Variante, besser schmeckt. Dies
ist roher Fisch in ganz duennen Streifen geschnitten und diesen tunkt
man dann in eine leckere Sojasosse. Hmmm
Gefahrene Kilometer
22.145
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