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Ekaterinenburg
Omsk Tomsk 24.06. - 05.07.03
Nachdem wir das Ural-Gebirge hinter uns gelassen haben benoetigten wir
je einen Tag um unsere Ausruestung sowie die Mopeds wieder in Schuss zu
bringen.
Mit Erreichen von Ekaterinenburg, eine knapp 2 Mio. Einwohnerstadt hinter
dem Ural, haben wir nun auch die Grenze nach Asien ueberschritten. Leider
fanden wir keinen Grenzstein oder aehnliches welcher die Grenze erkenntlich
gemacht haette. In der Stadt Ekaterinenburg wurde 1918 die letzte Zarenfamilie
Romanov von den Bolschiwiki ermordert. Abgesehen von dieser historischen
Staette ist die Stadt ein Industriezentrum in der Ural-Region. Wir suchten
ueber 3 h nach einem Hotel und blieben erfolglos. Total genervt vom Grosstadtverkehr
nutzte ich aber die Moeglichkeit zu einem Grosseinkauf. Solange ich die
noetigsten Lebensmittel einkaufte wurde Volker von einem Mitglied des
Motorradclubs "Black Nigths angesprochen. Sie nahmen uns mit
zu ihrem Treffpunkt und berieten wo sie uns unterbringen konnten. Igor
nahm uns dann mit zu sich nach Hause und wir konnten 2 Naechte bei ihm
bleiben. Er sprach kein Wort englisch und so hatten wir viel Spass bei
unseren Verstaendigungsproblemen. Uns gefiel der Grossstadtrummel gar
nicht und wir zogen es vor weiter zu fahren. Wir sind halt doch Kinder
vom Lande und geniessen es unser Zelt mitten in der Pampa aufzuschlagen
und noch gemuetlich ein Bier unter freiem Himmel zu trinken.
Hinter Ekaterinenburg erstreckt sich eine der groessten Tiefebenen der
Welt, das "Westsibirische Tiefland. Die Sibirier nennen es
"Gottes unvollendetes Werk - wo Gott vergessen hatte, das Wasser
vom Trockenen zu scheiden. Es ist gekennzeichnet von unzaehligen Seen
und Fluessen, endlosen Sumpfgebieten (31%) und weniger hier gelegenen
Landstrichen, die nur bis zu 250 \ 300 m ue.d.M. reichen. Und da man die
Strasse keiner Landschaft anpassen muss fuehrt diese immer nur schnurgerade
aus. Zum fahren ist dies sehr monoton und nur etwa alle 20 km taucht ein
kleines Dorf auf und bietet ein wenig Abwechslung. Grosse Gebiete werden
eingenommen von der Taiga, der Waldzone und Birkenwaelder von unglaublichem
Ausmass saeumen die Strasse Richtung Osten. Diese unendliche Weite beeindruckt
uns sehr. Und endlich haben wir auch Sommer und taeglich minimum 30 Grad
C. Laut den Einheimischen der 1. richtige Sommer seit 5 Jahren. Durch
das vorhandene Sumpfgebiet und dem extremen Wasserueberfluss kaempfen
wir taeglich mit der Mueckenplage. Waehrend Moskitos und Bremsen Blut
saugen, gerlingt es den Kribbelmuecken nicht die menschliche Haut zu durchdringen,
aber um so belastender sind deren Versuche, wenn Tausende der nur 2 mm
kleinen Insekten ueber einen herfallen. Wir koennen nichts tun, als zu
rennen oder im Zelt zu bleiben - wenn dort nicht auch schon welche sind.
Auf dem Weg nach Omsk traffen wir immer wieder sehr nette und hilfsbereite
menschen und auch in Omsk erwartete uns unglaubliches. Ein Faustball-Bekannter
von Volker gab uns die Adresse von Verwandten in Omsk. Andrej begruesste
uns herzlich und fuhr mit uns zu Freunden. Valerie und Natascha lebten
laengere Zeit in Deutschland und erwarteten uns bereits. Die russische
Banja (Sauna) wurde fuer uns angeheizt und Andrei und Valerie sorgten
dafuer, dass das Bier nie ausging. Natascha wiederum kochte um 19.00 und
23.00 Uhr fuer uns traditionelles russisches Essen. Wir wurden gemaestet
wie die Schweine und es fehlte an absolut nichts. Am naechsten Tag nahmen
uns die Maenner mit zu einem Motorradtreffen (5 Motorraeder!!) sowie Autorennen.
Der seit 10 Jahren im Bau befindliche und noch nicht fertiggestellte Flughafen
war Ort des Spektakels. Auf einer Landepiste rasten die Ladas, Toyotas,
Mercedes und BMWs auf 400 m um die Wette. Ich endeckte einen jungen Mann
mit einem T-Shirt "Harley Davidson Worldtour 2003 und musste
diesen einfach darauf ansprechen. Das T-Shirt hat er geschenkt bekommen
und ich bemerkte zu spaet, dass der junge Mann ein Reporter des regionales
Omsker Fernsehsenders ist. Innerhalb kuerzester Zeit standen wir vor laufender
Kamera und durften ein Interview geben. Valerie musste uebersetzten und
zum Abschluss durften Volker und ich das Programm auf russisch ansagen.
Fuer die Russen ein garantierter Lacher da wir uns X-mal verhaspelten.
Und kaum das wir realisiert hatten im russischen Fernsehen zu sein war
auch schon wieder alles vorrueber. Wir hatten einen wirklich netten Tag
und Andrej las uns jeden Wunsch von den Augen ab. Zum Abschied beschenkte
er uns noch mit 2 Tueten Lebensmitteln, Zigaretten und Wodka. Ich nannte
ihn immer Mr. Bean. Wenn er mit uns russisch sprach verstanden wir ihn
ausschiesslich wegen seiner grossartigen Mimik und der uebertriebenen
Gestik. Wirklich unglaublich wie gastfreundlich, hilfsbereit und nett
diese Menschen zu uns sind. Fuer uns absolut unfassbar wie wir aufgenommen
werden obwohl wir doch Fremde und Auslaender sind.
Auf der Weiterfahrt durch Westsibirien machten wir keinen Stop in Novosibirsk,
unser Ziel hiess Tomsk. In Tomsk ist das Reisebuero Visit Siberia (sh.
Link) und der Betreiber Mikhail versprach uns mit den Zollpapieren fuer
unsere Motorraeder zu helfen. Tomsk gehoert zu den sehr alten Staedten
in Sibirien und feiert naechstes Jahr seinen 400-sten Geburtstag. Die
Stadt hat 7 Universitaeten und die Technische Universitaet zaehlt zu den
Besten in Russland. In der Sowjet-Zeit war Tomsk fuer Touristen eine verbotene
Stadt. 16 km ausserhalb befindet sich eine nukleare Forschungs-Station,
nur heute ist dies kein Geheimnis mehr. Im Gegenteil, die USA finanzierte
die Renovierung der Gebaeude und Reaktoren zur Lagerung von radioaktiven
Materialien und Herstellung von Plutonium. Wir aber hatten eine Begegnung
der besonderen Art. Vor unserem Hotel hielt eine 7-koepfige Delegation
des Tomsker Bikerclubs "Stahl-Wind und hiess uns willkommen.
Die Jungs wollten uns unbedingt kennenlernen und staunten nicht schlecht
darueber, dass der 2. deutsche Biker eine Frau ist. Wir mussten mitkommen
und fuhren alle zusammen zu Konstantins Haus. Sie hatten tausend Fragen
und fielen ueber uns her wie die Kribbelmuecken. Fast alle sprechen englisch
und so sassen wir im Garten mit diesen stahlharten Jungs, tranken Tee
und assen Pfannkuchen. Wir verbrachten die naechsten Abende mit ihnen
und erfuhren sehr viel ueber Russland, die Lebens- und Denkweise sowie
ueber Motorradfahren in Sibirien. Sie waren stolz darauf uns Deutsche
als Gast zu haben und machten manche Dinge erst moeglich. Wir mussten
z.B. dringend einen Oelwechsel durchfuehren und konnten aber kein Motorradoel
finden. Sergej hat einen Recycling-Betrieb und einer seiner Fahrer musste
in Novosibirsk unser Oel besorgen und mitbringen. Dann hatten wir Probleme
unser Visa in Tomsk registrieren zu lassen, das Reisebuero versuchte dies
2 Tage vergebens. Konstantin, der Praesident des Clubs rief seinen Fruend,
den Vizepolizeichef an und binnen 5 Min. waren wir registriert. Der Club
hat mitte Juli ein grosses Motorradtreffen mit Bikerclubs aus 5 verschiedenen
Staedten. Die wohl bekannteste Rockgruppe Russlands wurde in Moskau angagiert
und eine leerstehende Fabrikhalle wird extra hierfuer rausgeputzt. Wir
haben uns entschlossen von Tomsk ins Altai-Gebirge zu fahren und zum grossen
Festival wieder zurueck zu kommen. Aus diesem Grunde nahmen uns Konstantin
und Sergej mit zu einem regionalen Fernsehsender und zum 2. Mal innerhalb
einer Woche gaben wir ein Interview, diesesmal in englisch und live. Es
ist fuer uns unglaublich, unfassbar und fast schon beschaemend wie aufmerksam,
freundlich und hilfsbereit alle Sibirier und speziell die Bikers zu uns
sind. Wir haben hier in Tomsk eine super Zeit und geniessen dies in vollen
Zuegen.
Bisher gefahrene Kilometer: 12.300 km
Land und Leute:
Ueber die Leute muss ich nicht mehr viel schreiben, es geht eigentlich
aus unserem Bericht hervor. In den Staedten sieht man sehr modern oder
chic angezogene Frauen. Das Handy wird hier ebenfalls als modisches Assecoirs
um den Hals getragen. Die Frauen sind auffallend duerr und sehr huebsch.
In den Supermaerkten ist alles erhaeltlich und man muss fuer eine Banane
nicht anstehen. Es gibt viele Russen die Geld haben und dies auch offen
zeigen, sei es mit einem nagelneuen Mercedes Gelaendewagen oder durch
Marken-Klamotten wie Hugo Boss. Auf dem Lande ist wieder alles ganz anders.
Das Viehfutter wird noch von Hand mit der Sense gemaeht und alle tragen
Gummistiefel. Das Klohaeuschen steht im hintersten Winkel im Garten und
fliessend Wasser ist eher glueckssache. Aber die Mentalitaet ist auf dem
Lande dieselbe wie in der Stadt. Man hilft sich gegenseitig. Viele Russen
bedauern kein englisch sprechen zu koennen obwohl sie eine hervorragende
Ausbildung genossen. Die jungen Menschen kommen mit dem neuen offenen
russischen System auch besser zurecht. Das Durchschnittseinkommen liegt
bei 300$ im Monat und selbst im billigen Russland ist dies viel zu wenig.
Wir selbst sind nun nach 5 Wochen Russland total begeistert von Land und
Leute.
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