Russland: St. Petersburg bis Vladimir 01. – 08.06.2003

Am 01. Juni war es soweit, wir standen an der Grenze zu Russland. Russland: man denkt sofort an unendliche Weite, sibirischge Kälte, kalter Krieg, Tscheschenien, Moskau und St. Petersburg, auch die Transibirische Eisenbahn kommt einem in den Sinn. Für uns Westeuropäer schwebt über Russland immer noch ein Schleier des Verborgenen und und Geheimnisvollen. Und dieses Mysterium wollen wir für uns entdecken. Dazu mussten wir erstmal die Grenzformalitäten hinter uns bringen. Ein wenig mulmig war uns schon zumute, wussten wir doch gar nicht was auf uns zukam. Der 1. Schlagbaum befand sich zur Einfahrt des Grenzgebietes, welches sich im Herzen der Stadt Narva befindet. Rechts von uns thront die Hermann-Festung und an diesem Sonntagnachmitag tummelnden sich dutzende von Familien im Burg-Park. Nach einer Stunde Warten durften wir Estland verlassen und liessen somit den 2. Schlagbaum hinter uns. Das Niemandsland führt über eine Brücke nach Ivangorod. Auf der anderen Seite, am 3. Schlagbaum wurden kurz unsere Pässe kontrolliert und wir bekamen eine Registrierkarte mit auf den Weg. Der 4. Schlagbaum war die Passkontrolle. Nun durften wir eine Zollerklärung ausfüllen und wir staunten nicht schlecht als wir feststellten, dass dieser Vordruck doch tatsächlich in deutscher Schrift war. Wir mussten sämtliche Devisen und Wertgegenstände angeben. Damit ging es dann zu einem Zollhäuschen mit einer streng aussehenden und korpulenten Beamtin darin. Die Zollerklärung wurde einbehalten und ein amtliches russisches Dokument wurde uns übergeben. Die Russin erklärte mir irgendwie das dieses Dokument bis 01.08. gültig sei und ich unterschreiben müsse. Ich weigerte mich. Zum Einen da ich es nicht lessen konnte und somit nicht verstand, zum Anderen, was auch immer das Dokument war, ich wollte eine Gültigkeit bis 01.11.. Die Beamtin verwandelte sich in eine Furie, schrie mich auf russisch an und fuchtelte ganz wild mit den Armen. Mir wurde ganz anders und umgehend unterschrieb ich. Das kann ja noch heiter werden. Dann mussten wir eine Haftpflichtversicherung für unsere Motorräder abschliessen und der 5. Schlagbaum kam hinter uns runter. Am 6. durften wir unsere Registrierkarte wieder abgeben und nach guten 2,5 Stunden fuhren wir auf russischn Strassen. Ich hatte auf über 3 Stunden gesetzt und verlor somit unsere Wette. Darf nun ein Glas Wodka ex trinken. Auf dem Weg nach St. Petersburg wurden wir noch 2x von der Polizei angehalten und kontrolliert. Hallo weites, unbekanntes Russland!
Bereits in Tallinn (Estland) haben wir für St. Petersburg im Hotel "Weisse Nächte” ein Zimmer resevieren lassen. Aber auch in dieser Metropole gibt es keine Wegweiser. Nur weisse Pfeile auf blauem Grund, nicht mal Richtung Moskau ist angeschrieben. Entweder man kennt sich aus oder verfährt sich zigmal. Das Hotel entpuppte sich als eine Absteige für Einheimische. Was will man in St. Petersburg für 25$ die Nacht mehr erwarten. Wenigstens war das Zimmer sauber und wir hatten unser eigenes Bad. Volker war aber sehr unruhig, da unsere Motorräder im Freien standen. Diese Sorge hat sich aber als unbgründet herausgestellt. Tagsüber nahmen wir immer unsere Motorräder mit in die Stadt und stellten sie auf einem bewachten Parkplatz ab und über Nacht war der Hotelparkplatz bewacht.
St. Petersburg, auch Venedig des Nordens genannt, Sitz der Zaren, ist eine sehr hektische, lärmende, vollgestopfte, stinkende, prachtvolle, historische, prunkvolle, berühmte westliche Metropole des Ostens. Rechtzeitig zur 300-Jahr-Feier machten wir unseren Stadtrundgang und überall prangt die Zahl 300, oder 200300, oder 1703-2003. Der grün und gold verzierte Winterpalast, die unverwechselbare Admiralität mit ihrem wunderschönen Springbrunnen, die dominierende goldene Kuppel der St. Isaaks Kathedrale und natürlich der Nevsky-Prospekt (Haupteinkaufsstrasse) standen genauso auf unserem Programm wie der russische Markt, der Fluss Neva mit seinen unzähligen Kanälen und die Post. Wer eine Vorliebe für Grosstädte hat, wird St. Petersburg lieben. Der Verkehr schiebt sich dichtgedrängt über die 6 Spuren durch die Innenstadt. Alles ist immer in Bewegung und hektisch. Nur einmal stand alles für ca. 2 Minuten still. Die Strasse war abgesperrt und eine dicke Staatskarosse mit Eskorte prauste an uns vorbei (Putkin?). Die Strassen sind gesäumt von riesigen barocken Gebäuden, in welchen MC Donalds genauso beherbergt ist wie auch Escada oder ein russischer Schnellimbiss. Zwei volle Tage durchstreiften wir die Stadt kreuz und quer und steckten morgens wie abends im Verkehr fest. Natürlich durfte der Katharinen-Palast mit seinem neu erstellten Bernsteinzimmer auf unserer Besichtigungsliste nicht fehlen. Wir waren dort, wir haben es gesehen. Aber für welchen Preis!!
Dies ist wirklich eine Story für sich. Der Palast liegt ca. 20 km südlich von St. Petersburg und er war am 3. Tag unseres Aufenthaltes unser Ziel. Vor dem Eingang war bereits eine riesen Schlange, also anstehen. Dies stellte ja noch kein Problem für uns dar. Aber nach 1,5 Stunden warten kam ein Geraune durch die Menge. Auf Nachfragen erfuhren wir, dass die Kasse nun für die nächsten 2 Stunden geschlossen sei. Also was tun. Ich wusst nicht auf was ich mich einliess, als ich noch 2 Stunden warten wollte. Volker war natürlich schon leicht genervt. Nach 2 Stunden ging das Gedränge wieder von vorne los und als die Kasse öffnete war das Chaos perfekt. Ich schubste, zog und drängelte mich vor. Ich musste mich regelrecht an dem Kartenhäuschen festkrallen um nicht verdrängt zu werden. Das zu diesem Zeitpunkt nicht noch gespukt, gekratzt und an den Haaren gezogen wurde, grenzte an ein Wunder. Wenn man "Freibier” ruft, könnte es nicht schlimmer sein. Die Russen schrien auf mich ein und ich auf deutsch zurück. War mir doch alles egal, schliesslich hatten wir nun über 4 Stunden angestanden. Das wir als Touristen den 5-fachen Preis wie die Russen bezahlen mussten, bmerkte ich dann noch so nebenbei. O.k. wir hatten die Karten und waren im Palast. Mit Menschenmassen wurden wir nun durch die Räume geschleust, Gruppen drängten sich und nur im Gänsemarsch kamen wir vorwärts. Volker war vom Bernsteinzimmer total enttäuscht und huschte schnell weiter. Man muss schon eine Schwäche für Bernstein haben damit einem diese filigrale, künstlerische Zusammensetzung der verschiedenst farbigen Steine gefällt. Zwischenzeitlich waren wir aber beide so genervt, dass wir nur noch raus wollten. Es war wirklich keine gute Idee nur 4 Tage nach der Eröffnung des Bernsteinzimmers dieses besichtigen zu wollen. Wir hatten insgsamt 6 Stundn benötigt, Euro 50,00 ausgegeben und vom angeblichen wundervollen Park nichts gesehen. Uns wird weniger das Bernsteinzimmer wie dieser "Viehtrieb” in Erinnerung bleiben.
Ein Hotel in Novgorod (hinter St. Petersburg) übernahm die amtliche Registrierung für uns und ersparte uns somit den Weg nach Moskau. Jeder Tourist muss einmalig bei der russischen Behörde registriert werden und ursprünglich wollten wir dies in Moskau erledigen. Die Dame an der Rezeption übersetzte uns auch das Dokument von der Grenze und so erfuhren wir, dass unsere Motorräder nur eine Aufenthaltserlaubnis bis 01.08. besitzen. Noch haben wir keine Ahnung was wir unternehmen können, um dies verlängern zu lassen.
Die Strassen sind katastrophal. Ich nehme alles zurück was ich über Polen geschrieben habe. Russland topt alles bisherige. Schlaglöcher sind noch das harmloseste. Man kann die Strassen eher mit einem Waschbrett vergleichen. Zwischenzeitlich sind wir 180 km östlich von Moskau in der Stadt Vladimir. Volker bemerkte an seinem Motorrad komische knarrende Geräusche. Für uns Grund genug um hier einen längeren Stop einzulegen, damit Volker die Motorräder checken konnte. Dabei stellte er fest, dass an seinem Hinterrad eine Speiche gebrochen war. Wir machten uns also daran die restlichen Speichen nachzuziehen. Nun brachten wir es doch tatsächlich fertig, dass jeder von uns je eine Speiche an meinem Motorrad abdrehte. Na Klasse, jetzt hatten wir also 3 gebrochene Speichen. Haben wir doch jedes noch erdenkliche Ersatzteil dabei, wie z.B. Radlager oder Kupplung, aber eine Speiche natürlich nicht. Was heisst Speiche auf russisch? Das durchfragen kostete uns mehr Zeit wie das Kaufen selbst. Wir fanden einen Art Krämermarkt für Auto- und Motorradteile und Nichts was man da nicht an Neu- oder Gebrauchtteile bekommen hätte. Wieder waren wir mit unseren Motorrädern der Anziehungspunkt und die Russen waren sehr hilfsbereit. Wahrscheinlich zieren jetzt Ural-Speichen unsere Yamahes.

Land und Leute:
Das Einkaufen und Tanken ist wirklich ein Erlebnis. Wir gehen an die Käsetheke, suchen uns ein Stück aus und fragen was dieses kostet. Mit dem genannten Preis gehen wir zur Kasse und bezahlen. Den Kassenzettel in der Hand geht es wieder zurück zur Käsetheke und man bekommt das Gewünschte. Dieselbe Prozedur bei der Wurst, beim Obst und beim Getränke. Das ist ganz schön zeitaufwendig. Hier mal ein paar Preise: eine Dose Bier 0,5 l kostet ca. Euro 0,50, ein Brot Euro 0,30 und eine Schachtel Gauloises Euro 0,70. Das Tanken läuft nach dem gleichen Schema wie das Einkaufen ab. Zuerst bezahlt man die gewünschte Menge und erst anschliessend kann man tanken. So nach und nach lernen wir unseren Tank richtig gut einzuschätzen. Der Preis für 1 Liter Benzin liegt bei Euro 0,35!!
Die Menschen waren bisher immer sehr nett zu uns und fragten uns Löcher in den Bauch. Woher, Wohin, Wieviel $ kostet das Motorrad, usw. Mit englisch kommen wir nicht mehr weiter und meine russisch Kenntnisse sind noch sehr ausbaufähig. Somit kamen leider noch keine richtigen Gespräche zustande, ausgenommen oben genannte Fragen. Die Russen, Männer wie Frauen, sieht man zu jeder Tageszeit mit einem alkoholischen Getränk in der Hand spazieren gehen. Für uns Anfangs ein sehr ungewöhnliches Bild. Man stellt sich vor ich laufe am hellen Nachmittag mit einer Dose Bier in der Hand durch die Innenstadt von Weil der Stadt. Dies ist hier ganz normal und die Jungen kaufen 2 Ltr. Plastikflaschen Bier mit Wodka und treffen sich im Park zum trinken.
Im russischen Verkehr gewinnt immer der Stärkere und aus einer 2-spurigen Strasse wird im Gedränge oft 5-spurig gefahren. In St. Petersburg zur Rush-Hour wurde selbst der Gehweg kurzerhand als Fahrspur benutzt und auch die Strassenbahnschienen werden befahren, so dass selbst die alten, klapprigen Strassenbahnen im Stau stehen.

Bisher gefahrene Kilometer: 7.700 km

 
   
 
Das berühmte Bernsteinzimmer
 
 
 
     
   
 
 
 
 
 
  Kanal in St. Petersburg  
     
 
Katharinenpalast
 
 
Schloss von St. Petersburg
 
 
St. Petersburg
 
 
Speichenschlacht