|
Tomsk Irkutsk
Baikal See - Ulan Ude 18.07. 08.08.2003
Wir hatten ein
unvergessliches Wochenende in Tomsk. Beim Bikertreffen lernten wir dutzende
von Motorradfahrern aus den unterschiedlichsten Gegenden Russlands kennen.
Der Begruender des russischen Rocks, Konstantin Kingschew, war mit seiner
Gruppe Alissa am Samstagabend vor Ort zu einem Konzert. Als wir einem
jungen Maedchen im Nachhinein erzaehlten, dass wir mit diesem Konstatin
Back Stage an einem Tisch saßen, bekam sie einen unglaublichen faszinierenden
Ausdruck in ihren Augen und beneidete uns maßlos. Wir selbst durften
ebenfalls als Showeinlage mit auf die Buehne kommen und die Jungs vom
Motorradclub Tomsk ueberreichten uns feierlich ein T-Shirt mit ihrem Clublogo.
Nun wusste wirklich jeder der 4.000 Besucher in der Industriehalle, dass
wir Deutsche sind und hier zu Besuch. Wir mussten hunderte von Fragen
beantworten und mindestens ebensoviel Wodka trinken. Am Bierausschank
bestanden sie darauf, dass Volker das oertliche Bier probierte und einen
Kommentar abgab. Sie waren sehr stolz darauf einen deutschen Braumeister
zu haben und Volker nickte wohlwollend mit dem Kopf. Wir schliefen nur
wenige Stunden und dies mit all den anderen vom Club zusammen auf einer
LKW Ladeflaeche. Den Sonntag benoetigten wir dann wirklich zum erholen
und am Montag hatte jeder von uns einen Henkersgang vor sich. Ich musste
zum Zahnarzt. Mir ist die komplette Innenseite eines Zahnes abgebrochen
und meine Fuellung lag nun offen da. Oh je, in Russland zum Zahnarzt,
ich hatte absolute Horrorvorstellungen. Mir blieb aber keine andere Wahl.
Volker hingegen hatte sich fuer eine Tätowierung entschieden. Wir
witzelten im voraus wer von uns mehr Schmerzen ertragen muss. Und es stellte
sich heraus, dass sowohl russische Zahnaerzte wie auch Tätowierer
absolut sauber und fuer uns schmerzfrei arbeiten. Nur Volkers Tattoo war
4mal so teuer wie mein neuer Zahn.
Voller Wehmut nahmen wir Abschied und hatten keine Eile aus Tomsk fortzukommen.
Wir ueberquerten wieder einmal eine Zeitzone. In der groesseren Stadt
Krasnojarsk nahmen wir uns ein Hotelzimmer. Die Hotels in Sibirien sind
relativ teuer und das Preis-/Leistungsverhaeltnis stimmt in keinem Fall.
Internetclubs finden wir aber nur in den Staedten und so muessen wir in
diesen immer einen laengeren Aufenthalt einplanen. Wir haben zum Beispiel
Novosibirsk ganz bewusst dreimal umfahren und haben absolut keine Lust
darauf nur von Stadt zu Stadt zu fahren. Von Krasnojarsk nach Irkutsk
sind es ungefaehr 1.000 Kilometer und wir gedachten diese Strecke in 3
Tagen zu fahren. Es kommt in Russland immer alles anders, als das man
denkt.
Die Strecke stellte sich als Hindernisparcour und Geschicklichkeitslauf
heraus. Ueber sehr lange Distanzen fehlte der Asphalt komplett. Wir mussten
in Schrittgeschwindigkeit im Achter fahrend um Schlagloecher balacieren,
extremen Erhoehungen ausweichen und Dreck sowie Schotter durchfahren.
Wir konnten es nicht fassen, dass die Hauptverkehrsstrasse nach Irkutsk
in einem solchen schlechten Zustand sein sollte. Wir glaubten bereits
einen Abzweig verpasst oder ein Schild uebersehen zu haben. Doch dann
wies ein kleines Schildchen diese Piste als unsere M53 aus. Zu allem Ueberfluss
regnete es mal wieder und die Temperaturen waren unter 10 Grad. Es war
saukalt und das Wetter erinnerte eher an den Herbst. Erlebten wir hier
einen vorgezogenen Winterausbruch in Sibirien? Aus den geplanten 3 Tagen
wurden dann 4 und wir waren immer in Reichweite der Transsibirischen Eisenbahn.
Leider bekamen wir aber keinen Personenzug zu Gesicht, lediglich der Guetertransport
ratterte neben uns her. Wir erreichten Irkutsk bei 12 Grad Waerme und,
wie konnte es anders sein, regnete es 48 Stunden am Stueck. Irkutsk ist
wie ganz Sibirien nicht bekannt durch Persoenlichkeiten die diese Stadt
hervorbrachte sondern eher durch beruehmte Personen die hier im Exil ihr
Leben ließen. Wir schauten uns ein Museum der Verbannten an und
zogen durch die Gassen der Stadt. Ausserdem machten wir einen Besuch bei
Sergej Arfaniti, dem Geschaeftsfuehrer des Europahauses. Von ihm erhielten
wir ein paar gute Tips zur Weiterreise. Und da Irkutsk die Freundschaftsstadt
zu Pforzheim ist, wurde auch ein Bericht ueber uns in der oertlichen Zeitung
veroeffentlicht. (Volker hat das Kennzeichen PF) Unsere Reiseroute sollte
von hier mit dem Schiff ueber die Lena nach Yakutsk fuehren. Wir haben
uns aber anderweitig entschieden da man niergends eine Information ueber
den Schiffsverkehr erhaelt und wir nicht aufs geradewohl 500 km bis zum
Anlegeplatz fahren wollten. Als Sergej uns von der Insel Olchon am Baikalsee
vorschwaermte war uns sofort klar, dass wir dort eine Woche Urlaub verbringen
werden.
Der Baikalsee kann mit einigen faenomenalen Besonderheiten aufwarten:
mit 1.624 m ist er der tiefste See der Welt. Er enthaelt ein Fuenftel
der Suesswasserreserven der Welt, und es dauert mehrere hundert Jahre,
bis das gesamte Wasser im See einmal ausgetauscht wird. Die Natur des
Baikals und der unmittelbaren Umgebung ist weltweit einzigartig, von den
hier lebenden 1.500 Tierarten kommen ca. zwei Drittel nur hier im oder
am Baikal vor. Gleiches trifft auf die Planzenwelt zu. Besonders interessant
ist das Vorkommen der Baikalrobben und der Fischart Omul. Ein Raetsel
ist immer noch, wie sich diese beide Tierarten von der Lebensweise im
Salzwasser (Eissmeer) auf ein Leben im Suesswasser des Baikals umstellen
konnten. Wir schafften die Umstellung vom regnerischen Irkutsk zu der
sonnenreichen Insel sofort und ohne Probleme. Fuenf Tage schienen uns
Erholung genug im Camp von Nikita. Bei Nikita macht jeder Reisende mit
europaeischen Ursprungs einen Zwischenstop. Franzosen, Italiener, Oesterreicher,
Schweizer und natuerlich Deutsche. Wir Deutsche waren in der absoluten
Ueberzahl und beim gemuetlichen Bier abends konnten wir uns auch mal wieder
auf deutsch unterhalten. An 2 Tagen nahmen wir an Ausfluegen teil und
bewunderten sowohl den Norden der Insel wie auch den Sueden. Wir lauschten
gespannt den Geschichten ueber die Schamanen und schauten uns ihre mystischen
Staetten an. Ausserdem trafen wir Bruno wieder. Ein 60zig jaehriger Italiener
mit seiner BMW GS1100, unterwegs von Verona nach Vladivostock. Ein wirklich
witziger Kauz und immer gut gelaunt.
Die Insel Olchon ist duenn besiedelt, vorwiegend von Burjaten, einem asiatischen
Volk mongolischer Abstammung. Das Klima auf der Insel ist trocken und
der Name Olchon kann mit "trocken, duerr uebersetzt werden.
Und so machten wir uns auf, einen Bade- und Strandtag einzulegen. Das
Wasser hat allerdings eine max. Temperatur von 15 Grad und ich bin gerade
mal bis zu den Knien rein. Volker kniff ganz und holte sich einen Sonnenbrand.
Wieder hatten wir aber Pech mit dem Wetter. Nach 2 Stunden Sonne zogen
dicke schwarze Wolken auf und es regnete!! Trotzdem hatten wir eine schoene
Woche auf der Insel und koennen diese fuer einen Urlaub nur empfehlen
(auch mit Kinder).
Unsere Strassse fuehrte uns um den suedlichen Zipfel des Baikalsees. Die
Strecke war gut und schlaengelte sich durch die Berge. Es machte mal wieder
riesig Laune und wir hatten super Kurven. Seit Tschechien die beste Strecke
ueberhaupt und ein Traum fuer Motorradfahrer. Wir wurden die letzten tausende
von Kilometer nicht gerade verwoehnt und so genossen wir die Serpentinen.
Waere da nicht.......na, was wohl........der Regen gewesen. Ach was Regen,
ein heftiger Sturm kam auf und fegte alles von der Strasse. Der Wind peitschte
uns den Regen in jede Ritze unserer Kleidung und durchnaesste uns voellig.
Die Temperaturen waren eisig und unsere Finger wurden in den klatschnassen
Handschuhen klamm (Griffheizung ist noch nicht repariert). Bei diesem
Unwetter stellten wir unser Zelt zwischen dem Baikalsee und der Gebirgskette
auf. Die komplette Nacht stuermte und regnete es hindurch und am Morgen
hatten wir einen mittelgrossen Pool in unserem Zelt. Wir konnten nicht
mehr lachen und hatten genug von diesem Sauwetter. Aber wir mussten einen
weiteren Tag bei diesem widrigen Sturm auf unseren Motorraedern gen Osten
fahren. Triefendnass nahmen wir uns ein Hotelzimmer in Ulan Ude und nach
kurzer Zeit war unser Zimmer nicht mehr zu erkennen. Ueber den Stuehlen,
ueber dem Schrank, an der Gaderobe, im Bad und auf dem Fussboden hingen
und lagen verstreut unsere Habseligkeiten zum trocknen. Selbst unser Zelt
haben wir auf dem Balkon aufgehaengt. Und wie zum Hohn lacht am folgenden
Tag die Sonne und verwoehnt uns wieder. An Abwechslung mangelt es uns
nicht.
Bisher gefahrende
Kilometer: 17.700
km
|
|