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Russland: Vladimir
bis Jekaterinenburg (Ural-Gebirge) 09. 24.06.2003
Russland verwoehnt uns nicht mit gutem Wetter. Bereits in St. Petersburg
hatten wir nur zwischen 12 und 15 Grad C und im Wolgagebiet freuten wir
uns ueber ein paar Sonnenstrahlen zwischen all dem Schmuddelwetter. Selbst
fuer russische Verhaeltnisse faellt der Juni doch recht kuehl aus. Dank
dem LKW-Spritzwasser stehen unsere Motorraeder sowie unsere Klamotten
zwischenzeitlich vor Dreck. Uns scheint es so, wie wenn die LKWs und Busse
sponsert by Germany sind. Jeder 2. hat eine deutsche Aufschrift bzw. Reklame.
Anfangs winkten wir noch zu und dachten "ein Deutscher bis
wir dann die russische Kennzeichen sahen. Und Volker lief bereits das
Wasser im Munde zusammen als wir einem Bus mit Tannenzaepfchen-Werbung
hinterher fuhren. Die Strassen sind bis ca. 200 km hinter Moskau immer
schnurgerade und das Gebiet hat eine sehr dichte Besiedelung. Erst als
wir in die Wolga-Region kamen wechselte die Landschaft ihren Charakter.
Sanfte Huegel erheben sich mit satt gruenem Gras und wir hatten endlich
wieder ein paar Kurven. Strassenhaendler saeumen die Hauptverkehrsstrasse
Richtung Sibirien und bieten Pilse, Fische, Obst und sogar Kristallleuchter
an. An einem Rastplatz machten wir Bekanntschaft mit mehreren Russen und
Volker unterhielt sich mit ihnen per Haende und Fuesse. Sie tauschten
Zigaretten aus und Volker zeigte ihnen auf der Landkarte wo wir herkamen
und wo wir hinwollten. Man sollte nicht glauben wie angeregt man sich
ohne sprachliche Verstaendigung unterhalten kann. Auf jeden Fall bekam
Volker zum Abschied 3 saure Gurken geschenkt. Er war selbst sehr ueberrascht
ueber diese sehr nette Geste.
Kazan war unser naechster Anlaufpunkt. Eine Stadt der einstigen Goldenen
Horde des Dshingis Khan und heute Hauptstadt der autonomen Republik Tatarstan.
Hier stellen die Tataren die Mehrheit der Einwohner und man erkennt diese
auch sofort an ihren runden Mondgesichter. Kazan verfuegt ueber eine sehr
schoene Fussgaengerzone und einem lausigen Italiener. Wir wollten wieder
mal Pizza essen und dachten "Guiseppe waere der richtige Ort
dafuer. Einmal davon abgesehen, dass jede Tiefkuehlpizza besser schmeckt
und das Restaurant ein Selbst-Bedienungsladen war, mussten wir anschliessend
in unserem Hotelzimmer noch vespern.
Fuer die Weiterfahrt waehlten wir eine Nebenstrecke aus, denn wir hatten
die Nase voll von dem stressigen LKW-Verkehr. Wir kamen durch wunderschoene
Doerfer mit ausschliesslich Holzhaeusern. Die ueberwiegende Anzahl sind
Blockholzhaeuser mit sehr kunstvoll verzierten Fensterrahmen. Holzhaeuser
wiederum sind in den Farben gelb, orange oder blau sehr auffallend. Und
die Alten sitzen auf einem Holzbaenkchen davor. Wir sichteten eine alte
Frau welche mit einer Weiderute eine komplette Gaensefamilie vor sich
hertrieb und junge Burschen auf ihren Ponys bewachen die Kuh- und Ziegenherden.
Unsere Strasse endete abrupt an einem Fluss. Mehrere Autos standen bereits
in einer Schlange und alle warteten auf die Faehre. Ein alter rostiger
Kahn brachte uns fuer Euro 0,30 auf die andere Flussseite. An Bord waren
wir wieder mal die Attraktion und jeder bestaunte unsere Motorraeder und
fluesterte etwas mit einem verstohlenen Blick in unsere Richtung. Auf
der anderen Flusseite fing der Fahrspass dann erst richtig an. Unsere
beiden Herzen schlugen hoeher. Meines aus Bammel und Volkers aus Freude.
Wir hatten eine Piste mit aller feinstem Sand vor uns. Ich biss beinahe
ins Lenkrad und verkrampfte meine Haende darum. Jedesmal wenn mein Vorderrad
machte was es wollte bekam ich einen Adrenalinstoss. Volker dagegen suchte
sich die tiefsten Sandstellen aus und fuhr stehend sowie laut juchzend
vor Freude ueber diese Piste. Es kam wie es kommen musste. Irgendwie kam
ich zu weit in den Sand und fing zu schlingern an. Riss mein Lenkrad noch
nach links und rechts und da meine Haende sich verkrampft hatten gab ich
unweigerlich immer mehr Gas. Bums da lag ich auch schon im weichen
Sand. Volker hielt neben mir und musste natuerlich lachen. Wahrscheinlich
sah es von hinten schon komisch aus wie ich so ueber den Sand tanzte.
Ich kam mit dem Schrecken davon und mein Motorrad hatte eine kleine Delle
am Tank. Wie lange noch diese Piste? Meine Gebete wurden erhoert und bereits
nach ein paar hundert Meter kam wieder Asphalt, was Volker eher enttaeuschte.
Leider haben wir total vergessen von diesem ganzen Geschehnis ein paar
Bilder zu machen. Wir wussten zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht, dass
uns die beste Strecke noch bevorstand.
Unsere Weiterreise bis Perm blieb dann auch ohne Zwischenfaelle. Russland
hat 8 verschiedene Zeitzonen und richtet sich nach der Moskauer Zeit.
Die Zone hinter Moskau beginnt in Vladimir (letzter Bericht). Nur dort
kuemmert es niemanden, dass man eine Stunde vor Moskauer Zeit ist. Jede
Uhr, ob oeffentliches Gebaeude oder privat hat die Moskauer Zeit. Und
so kommt es, dass wir in Perm unsere Uhr um 2 Stunden vorstellen mussten.
An diese Zeitverschiebungen koennen wir uns nicht so schnell gewoehnen
und merken dies deutlich morgens beim aufstehen. Normalerweise sind wir
gegen 8.00 Uhr auf den Beinen und in Perm war es dann ploetzlich 10.00
Uhr. Perm liegt im Herzen von Russland etwa gleiche Entfernungen trennen
die Stadt von Mitteleuropa und Asien. Fuer uns ist die das Tor zum Ural-Gebirge,
da sie noch auf der westlichen Seite von diesem liegt. Und fuer mich hat
die Stadt noch eine besondere Bedeutung, sie ist Ort der Geschehnisse
aus "Dr. Schiwago (schluchz).
Das Uralgebirge erinnert uns mit seinem dunklen Wald an unseren Schwarzwald.
Allerdings handelt es sich beim Ural keinesfalls um ein Gebirge wie wir
es kennen. Lediglich ein paar Erhebungen (max. 1.500 m) lassen erkennen,
dass man nicht in der Steppe bzw. Tiefebene ist. Wir (Volker) haben entschieden
auf einer ganz kleinen Strasse das Gebirge zu ueberfahren. Unser 1. Versuch
endete damit, dass wir mitten im Erdoelfeld der Fa. LUKOIL standen. Ueberall
befanden sich Foerderpumpen und als wir einen Arbeiter nach dem Weg fragten,
wunderte der sich nicht schlecht wie wir ueberhaupt in dieses Sperrgebiet
reingekommen sind. Wir schafften es bis zu einem kleinen Dorf und mussten
dann aber leider wieder umdrehen. Ein grosser Fluss trennte die Strasse
und es gab keine Moeglichkeit auf die andere Seite zu gelangen. Aber so
schnell gaben wir nicht auf. Volker suchte sich erneut eine Strecke auf
der Karte aus und wir fanden nach tausendfachem Fragen auch die Abzweigung.
Jetzt trennte uns alles von der Zivilisation. Es begann mit dem Fehlen
einer eigentlichen Strasse. Wir hatten nur noch einen Weg vor uns und
bereits nach 100 m musste Volker beide Motorraeder ueber einen Graben
fahren. Noch ahnten wir nichts schlimmes und so fuhren wir bei bestem
Wetter im zickzack Kurs ueber die von Schlagloechern durchsiebte Strasse.
Und wieder endete unsere Strasse an einem groesseren Bach. Die Bruecke
war eingestuerzt und diesesmal wollten wir nicht bereits nach 10 km wieder
wenden. Volker fand eine Fahrspur durch das Bachbett und setzte todesmutig
sein Motorrad in Richtung Wasser. Mit Vollgas ging es durch das Wasser
und es sah auch atemberaubend aus wie links und rechts die Fontaenen hochspritzten.
Doch dann wurde das Wasser Huefttief und Volker musste Vollgas geben.
Geschafft, er war aus dem Wasser und
..stuertzte. Ich rannte
hinterher und das eiskalte Gebirgswasser fand den Weg in meine Stiefel.
Zu zweit konnten wir das Motorrad wieder aufrichten. Jetzt hatten wir
ein kleines Problem. Ein Motorrad auf der einen Seite des Flusses und
eines auf der Anderen. Wir suchten eine bessere Stelle fuer die Ueberfuerung.
Und diesesmal durchwateten wir zuerst den Bach und prueften den Wasserstand.
Fast problemlos konnten wir Beide mein Motorrad auf die gegenueberliegende
Seite schieben. Wir waren jetzt aber klitschnass und in unseren Stiefel
stand das Wasser bis zum Schaft. Wir beschlossen zu campen und die Weiterfahrt
am naechsten Tag mit neuen Kraeften wieder anzugehen. Die hatten wir auch
bitter noetig. Es gab immer wieder fuer mich unpassierbare Stellen und
Volker musste dann zuerst sein Motorrad fahren, zurueck laufen und dann
meines holen. Fuer eine Teilstrecke mit 2 km benoetigten wir doch tatsaechlich
eine komplette Stunde. Des oefteren endete die Strasse an einem Fluss
und die Bruecke war entweder eingestuerzt oder abgebrannt.
Aber ein Zurueck wollten wir nicht mehr in Kauf nehmen. Weiter hies die
Devise, egal wie. Mit vereinten Kraeften schoben, zogen, zerrten wir die
Motorraeder. Auch hatten wir Wasserloecher in dem Ausmasse eines kleinen
Sees. Darin haette locker ein Auto versteckt werden koennen. Wir haben
aber dazu gelernt und ich watete immer zuerst durch das Wasser und pruefte
sowohl den Wasserstand wie auch den Untergrund. Dann entschieden wir uns
fuer einen Durchfahrtsweg und entweder prauste Volker dann mit Vollgas
hindurch oder wir mussten Beide die Motorraeder sichern und langsam hindurchschieben.
Eine weitere halsbrecherische Aktion muteten wir uns zu als wir erneut
vor einem solchen Fluss standen. Zuerst begutachteten wir die Lage, checkten
den Wasserstand und fanden eine provisoriche Bruecke aus Brettern, Balken
und Aesten. O.K., das koennte machbar sein, aber ohne Gepaeck. So packten
wir komplett ab und Zentimeter um Zentimeter brachten wir ganz vorsichtig
die Motorraeder ueber diesen Steg. Uns durfte kein Fehler unterlaufen
wenn wir unsere Motorraeder nicht verlieren wollten. Drei verrottete Balken
fuehrten dann aus dem Flussbett heraus. Leider konnten wir dabei nicht
mehr das Motorrad links und rechts sichern. Volker musste aufsitzen und
den 1. Gang einlegen. Ich hielt hinten das Motorrad im Gleichgewicht und
im Schneckentempo krochen wir dann diese Balken hinauf. Ausgerechnet dieser
Tag war der Heißeste seit unserer Ankunft in Russland. Wir konnten
nur 40 km an diesem Tag unter die Raeder bzw. Stiefeln nehmen. Und dann,
so musste es ja kommen, standen wir erneut vor einem Fluss. Und diesesmal
einem Fluss im Ausmasse von der Breite des Neckars. Keine Bruecke in Sicht
und die 2 einsame Angler in dem sonst verlassenen Dorf ermahnten uns umzudrehen.
Das duerfte ja nicht war sein. Wir hatten uns so abgeplagt und wollten
einfach nicht umdrehen. Auch weil wir nun wussten was ja auf uns zukommen
wuerde. Wenn etwas Unbekanntes vor uns liegt sehen wir dies als Herausforderung
an und packen die Huerde gemeinsam. Nun aber wussten wir was kommen sollte
und wir hatten schlichtweg keinen Bock darauf. Total frustriert kehrten
wir um und schlugen zuerst unser Zelt auf. Dem super Wetter trauend spannten
wir das Zelt nicht und mitten in der Nacht holte uns der Regen zusammen
mit orkanaehnlichen Windboeen wieder ein. Oh Gott, die Strecke zurueck
war schlimm genug und dies nun nach 5 Stunden Regen war einfach eine Katastrophe.
Der Schlamm legte sich wie ein Guertel um unsere Reifen und wir fuhren
wie auf Schmierseife. An einem Anstieg hielt Volker vor mir und zeigte
ganz aufgeregt auf einen Punkt vor uns. Trottete doch tatsaechlich ein
Braunbaer ueber unseren Weg, blickte in unsere Richtung und schnaubte
langsam weiter. Dies hebte unsere Stimmung ein wenig. Wer kann schon mal
einen Braunbaeren in der Wildnis sehen? Wir fuhren bis zu unserem legendaeren
Fluss mit Volkers Sturz. Wir trauten unseren Augen nicht mehr, das Wasser
hatte sich verdoppelt und die Stroemung war reisend. Wieder beschlossen
wir erstmal zu campen und dieses Problem am naechsten Tag anzugehen. Zwei
Russen auf dem Motorrad kamen von der Anderen Seite an den Fluss, schauten
sich um und kehrten wieder um. Ja super und wir sollen hier rueber? Wir
nahmen uns sehr viel Zeit zur Ueberpruefung des Wasserstandes und das
Heraussuchen der Besten Stelle. Langsam schoben wir mein Motorrad bis
zur Flussmitte und die Stroemung drueckte uns Flussabwaerts. Volker hatte
den 1. Gang eingelegt und schob auf der rechten Seite. Ploetzlich drehte
das Hinterrad durch und wir steckten fest. Ich schob mit all meinen Kraeften
von hinten an und Voker gab Vollgas und mit einem Ruck kamen wir aufs
Trockene. Das ging leichter wie wir es uns vorgestellt hatten. Zum ruebertragen
unseres Gepaeckes mussten wir 10mal durch das eiskalten Wasser und wir
hatten extra hierzu nur unsere Stiefel (ohne Socken) und Regenhosen angezogen.
Nach 3 Stunden war alles sicher und trocken auf der richtigen Flussseite.
Erleichterung machte sich breit und wir waren froh endlich wieder Asphalt
unter den Raedern zu haben. Ein kleines Problem hatten wir aber immer
noch. Volkers Motorrad hatte bei der aller ersten Flussdurchfahrt Wasser
gezogen. Am Oelmesstab war nur noch eine braeunlich, waessrige, truebe
Fluessigkeit zu sehen. Er hatte zwar unterwegs mindestens 1 Liter Oel
abgelassen und unseren Restbestand Oel nachgefuellt, aber die Schaltung
ging merklich schwerer und es krachte verdaechtig. Wir hatten unsere groesste
Bedenken das Motorrad ohne Getriebeschaden wieder heil bis zur naechsten
Stadt zu bringen. Sofort an der ersten Tankstelle kauften wir Auto-Oel
und machten fast an Ort und Stelle einen Oelwechsel. Und sie laeuft noch.
Bisher gefahrene Kilometer: 11.000 km
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